Der neue Kessel
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Vor fast drei Jahrzehnten baute ich einen vollständig genieteten und hartgelöteten Kohle-Kessel für meine „Flying Scotsman“ im Massstab 1:32. Den konischen Aussenmantel fertigte ich aus Messingblech, die Feuerbüchse und Siederohre hingegen aus Kupfer. Sogar der Armaturensatz und der Rondellen-Regulator waren fertiggestellt. Doch zu einem Drucktest und einer Inbetriebsetzung kam es leider nicht mehr, denn meine damals hohe berufliche Inanspruchnahme liess mein Hobby dann für viele Jahre in der Versenkung verschwinden. Heute liegt dieses „Ding“ zu Hause im Büchergestell meines Büros, als „Es war einmal“.
Im Lauf der späteren Zeit wuchs für mich der Kontaktkreis zu Dampf-Modellbauern und zur G1MRA. Die um 2000 aus der Feder der Engländer entstandenen Bau- und Prüfvorschriften für Dampfkessel führten unter uns zu teils hitzigen Diskussionen über Sinn und vor allem Unsinn der darin formulierten Auflagen. Wie dem auch sei, ich entschloss mich trotzdem zum Bau eines neuen Kessels aus Kupfer, wiederum genietet, aber diesmal mit einer dem Original entsprechenden Verbrennungskammer. Nachdem der PC und CAD-Programme schon lange zum gewohnten Werkzeug geworden waren, zeichnete ich meine Abwicklungen nicht mehr mit Lineal und Bleistift, sondern eben per Maus am Bildschirm.
Hinweise und Erklärungen zum Neubau meines Kessels.
Als Erstes beschaffte ich mir das ganz hervorragende Buch „Praktische Blechabwicklungen“ von Laskowski & John (ISBN 3-341-01086-6) und direkt aus England mitgebracht, eine recht preiswerte 300mm Dreirollen-Blechbiege-Maschine. Für den Kessel-Mantel besorgte ich mir 1mm Kupferblech, resp. 1.5mm für die Feuerbüchse, sowie 10/8mm und 12/10mm Kupferrohre für sechs Siede- und für die zwei Überhitzerrohre.
Obwohl sich bei mir über Jahre hinweg eine stattliche Zahl von Plan-Kopien und Zeichnungen ansammelte, fehlten laufend wichtige Details, die ich jeweils mit grösstem Zeitaufwand und Detektivarbeit beschaffen musste. Es wäre wohl sehr viel sinnvoller gewesen, während einer Woche oder so, direkt in den Archiven des NRM in York zu stöbern und am Original zu messen und zu fotografieren.
Als Erstes zeichnete ich die Kessel-Verkleidung im Auf- Grund- und Seitenriss, dann den Kessel selbst, mit den Mindermassen für eine 1mm dicke Isolationsfolie. Die nächsten Schritte waren dann das Berechnen und Zeichnen der Abwicklungen für den Aussenmantel und Feuerbüchse, gemäss Laskowski, was mir schon einiges Kopfzerbrechen verursachte und so zu einer echten Herausforderung anwuchs.
Nach dem Herstellen aller Nietwerkzeuge, der notwendigen und zahlreichen Hilfsmittel dafür, dem Formenbau für die Kessel-Rückwand und Feuerbüchse war’s endlich soweit, das „Experiment“ konnte beginnen.
Aber dies illustrieren die folgenden Bilder weitaus besser.
Gresley suchte nach dem grösst möglichen Kessel und lehnte sich dabei an die Bauart der Pazifik K4 der Pennisilvania Railroad. Mit 1.96m Durchmesser (ohne Verkleidung) an seiner breitesten Stelle passte er gerade noch ins Englische Lichraumprofil.
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Im letzte Viertel des vergangenen Jahrhunderts gebaut, mein erster Kohlekessel, genietet mit Messingmantel und dem Innenleben aus Kupfer.
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Für die Rohr-Dimensionen und -Anzahl, sowie die Bauart des Regulators stützte ich mich auf die Angaben der beiden berühmten Modellbauer Greenly und Steel. Der Kessel kam nie in Betrieb!
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Es waren fast unzählige Stunden am PC nötig gewesen, bis die rund 20 Kessel-Zeichnungen beisammen waren, wobei sich das Entwickeln der verschiedenen Blech-Abwicklungen oft ganz besonders in die Nachtstunden hinzog.
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Die von mir angeschaffte, aber heute leider nicht mehr erhältliche Maschine der Firma Metal Smith in England, lässt keine Wünsche offen.
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Die Vernietung wurde dampfdicht, in jeweils drei Schritten wie folgt ausgeführt: 1. Ziehen, 2. Niethals-Wulstung setzen, 3. Halbrund-Kopf formen. Für unzugänglichen Stellen wurden die links abgebildeten Hilfswerkzeuge verwendet.
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Der vorgebohrte Strip diente als zugleich als Lehre für die Bohrungen ins Rohr. Als Kühl- und Schmiermittel beim Bohren wurde nur destillierte Wasser verwendet. Die Teile wurden absolut fettfrei und lötrein vernietet.
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Meine Frau verbrachte viele Stunden bei mir in der Werkstatt und achtete beim Halten und Positionieren mit Argus-Augen und viel Gespür darauf. dass beim Nieten der untere, nicht direkt sichtbare Nietkopf nicht vom Stempel ruschte.
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Als Hartlot wurde, wie für die Feuerbüchse auch, ein solches mit hohem Schmelzpunkt verwendet. Beim genauen Hinschauen erkennt man links die beiden Speise-Rohre als Verlängerung über die Feuerbüchse hinweg.
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Den vorderen Kesselflansch fertigte ich aus dem Vollen und mit passgenauem Sitz in die Rauchkammer.
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Das Mantelblech ist bereits mit allen Bohrungen versehen, auch mit denjenigen für die Stehbolzen.
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An der Seitenwand erkennbar, die eingenieteten Haltebolzen für den eventuellen Einbau eines Feuerschirms.
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Damit zwischen den relativ eng zusammenliegenden Siederohren zusätzlicher Wasser- und Verdampfungsraum erreicht wird, reduzierte ich die Rohrwandstärke auf 0.75mm.
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War eine entscheidende Aufgabe: Das Ausrichten des Rohrbündels in allen Fluchten. Die Lötstellen sind mit einem relativ dünnflüssigen Flussmittel-Brei aus Castolin 1802 und destillietem Wasser mehrmals be- und umstrichen.
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Als Lot habe ich Berogen 608 (L-Ag30/Cd) mit einer Arbeits-Temperatur von 680 Grad verwendet. Die noch sichtbare, seitliche Nietenreihe ist nur auf ihrer Rückseite (Innen) duchgehend verlötet. Der haarfeine Durchfluss-Kranz wäre nur mittels einer starken Lupe erkennbar.
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Die präzise Einhaltung der Rohr-Abstände erreichte ich problemlos mit dem links sichtbaren Zentrier-Aufsatz.
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Die schraubbaren Steh-Bolzen gestatteten ein genaues Zentrieren der Feuerbüchse. Die Quer- und Decken-Anker sind noch nicht eingebaut. Für die Befestigung der Rückwand fertigte ich aus Bronze die nötige Zahl von Rundkopf-Schrauben.
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Der fertige und druckgeprüfte Kessel. Die Lötungen am Aussenmantel und der Druck-Test fanden beim Kessel-Spezialist Erwin H. in Bern statt. Für diese Arbeiten verwendeten wir das Lot Berogen 140 (L-Ag40/Cd) mit einer Arbeits-Temp. von 610 Grad.
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Erwin beim aufmerksamen Beobachten allfälliger Undichtigkeiten. Im Vordergrund seine stattliche Druck-Pumpe.
Das Resultat: Alles OK.
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Als Dichtung verfügen die aufgeschraubten Fittinge in ihre Rundfugen eingelegte 4mm O-Ringe aus Silikon mit einer Schnurdicke von 0.6mm.
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Im hinteren Teil des mittleren Regulator-Rohrs befindet sich der konische Ventilsitz (30 Grad). Die Regulator-Spindel wird im Führerstand ohne Drehung in einer Sinus-Funktion vor- und rückwärts bewegt.
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Aus meiner Sicht rechtfertigt sich die Verwendung eines Leerlauf-Ventiles auch im Modell, vor allem dann, wenn die Dampfmaschine mit dichten Kolben-Ventilen arbeitet.
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